Kabel in der Kanalisation
Datenbahn durch die Kloake
Bern - Warum neue Tunnel graben, wenn es alte Schleichwege gibt? Das haben sich findige Ingenieure gesagt und den Glasfasernetz-Bau in die Kanalisation verlegt. ClickBlick war beim ersten Schweizer Pilotversuch in Bern vor Ort.
Vom Ausrüstungs-Bus an der Oberfläche bis hin zum fertigen Einbau in der Kanalisation: Die Experten der Zürcher Firma KA-TE führen alles vor, was das so genannte «FAST»-Projekt ausmacht. Besonders eindrücklich ist das Robotersystem. Mit ihm lassen sich auch dort noch Leitungen für Telekommunikation verlegen, wo kein Mensch hinkommt. Und so funktionierts: Die optimale Verlegespur wird festgelegt, dann spannt der Roboter in Abständen von 1,5 Metern sich eng an die Rohrwand anschmiegende Stahlringe («Briden») auf. Diese halten die Kabelschutzrohre, in welche die Glasfaserkabel eingezogen werden. «Weniger teures Graben, weniger Verkehrsbehinderungen, weniger Lärm und kürzere Bauzeiten», bringt KA-TE-Geschäftsführer Hans Bunschi die Vorteile dieser Methode auf den Punkt. Und wie stehts mit der Resistenz gegen das aggressive Abwasser und Ratten? Bunschi: «Bei uns ist alles aus V4A-Stahl. Der ist unverwüstlich.»
VON CILGIA GRASS
Blick, 9. November 2000
Kabelnetze in Abwasserkanälen
Telekommunikation
In einem schweizweiten Pilotversuch installiert eine Zürcher Firma Glasfaserkabelanlagen in Berns Abwasserkanäle.
Eine neue Technik soll Sunrise mehr Übertragungskapazität sichern. Die Stadt Bern verdient dabei mit.
Die in der Stadt Bern bestehenden Glasfaserkabelanlagen, auch Lichtwellenleiterkabel genannt, können den Kundenbedarf nicht abdecken.
Für die Kundenerschliessung benötigt die Firma Sunrise Communications AG deshalb mehr Übertragungskapazität und baut ihre Netze aus.
Wie Hans Ulrich Gränicher, Geschäftsführer beim für die Ausführung zuständigen Ingenieur- und Planungsbüro IPG,
gestern vor den Medien ausführte, geht es beim vorliegenden Projekt darum, eine Verbindung von Köniz in die Innenstadt zu erstellen.
Bei der Planung stiess man auf die Zürcher Firma KA-TE System AG, die ihr Fast-System (Fiber Access in Sewer Tubes) im Ausland bereits erfolgreich erprobt hat.
Es handelt sich dabei um eine Technik, die begehbare und - mit Hilfe von eigens entwickelten Robotern - nicht begehbare Abwasserkanäle mit Kabeln erschliesst.
Auf kostspielige und verkehrsbehindernde Grabarbeiten könne dadurch verzichtet werden, erklärte KA-TE-Geschäftsführer Hans Bunschi.
Ausserdem könne die Bauzeit verringert werden.
Willkommene Geldquelle
Die Installation in der Kanalisation ist mit einem willkommenen Zustupf für die Stadtkasse verbunden:
Sunrise muss die Abwasseranlagen, die dem städtischen Tiefbauamt gehören, mieten.
Die am Projekt beteiligten Partner sind derzeit daran, mit der Stadtverwaltung einen Vertrag über Nutzungs- und Haftungsbedingungen der Berner Kanalisation auszuhandeln.
Die beiden Papiere befinden sich in der Vernehmlassung und sollen in den nächsten Wochen vom Gemeinderat abgesegnet werden.
Planungs- und Baudirektor Adrian Guggisberg sprach von einer «Win-Win-Situation» für Wirtschaft und Politik.
Das durchschnittliche Preisniveau bezifferte Gränicher mit «drei Franken pro Laufmeter pro Jahr».
Umgerechnet ergibt das rund 6'600 Franken pro Jahr.
Die im Oktober angelaufenen Arbeiten verteilen sich auf drei Bauetappen.
In Köniz konnte das Kabelschutzrohr im 450 Meter langen Abwasserkanal Morillon manuell montiert werden.
In der nicht begehbaren, 700 Meter langen Kanalisation der Landolt- und Wabernstrasse kam der international patentierte Fast-Montageroboter zum Einsatz.
Auch bei der dritten Etappe (Mattenhof), wo die Lichtwellenleiterkabel in die bestehenden Schutzrohre der Lichtsignalanlagen eingezogen werden, ist der Roboter am Werk.
Die Länge dieses Teilstücks beträgt 1,5 Kilometer.
Überall mussten zuerst der bauliche Zustand der bestehenden Anlagen erhoben und Reinigungen durchgeführt werden.
Laut Gränicher sind die Bauarbeiten fast abgeschlossen.
Gefragte Roboter
Die 1965 als Kanalsanierungs- und Bauwerkabdichtungs-Firma gegründete KA-TE System AG ist nach eigenen Angaben weltweit führend auf diesem Gebiet. Sie hat bereits hundert derartige Robotersysteme verkauft, 91 davon in europäischen Grossstädten, die restlichen in Asien und den USA. Ein Robotersystem kostet 1,2 Millionen Franken. Der Prototyp des Fast-Roboters wurde 1998 an der Computermesse Cebit zum ersten Mal der Öffentlichkeit präsentiert. Das erste System wurde letztes Jahr an die Hamburger Stadtentwässerung verkauft.
Der Bund, 8. November 2000